So gut nach einem langen Tag!

...was es noch gab im Supermarkt

Die Gedankenlosigkeit, mit der ich auf dem Heimweg in den Supermarkt abbog, war dem hinter mir liegenden Arbeitstag geschuldet. Dieser hatte mit einer massiven Störung aller Anwendungen begonnen, für die meine Kolleg*innen und ich verantwortlich waren. Es folgten für alle betroffenen Kund*innen nicht einfach zu ertragende Konsequenzen und die erforderliche Kommunikation in alle Richtungen, was meine Aufgabe war.

Nach zehn Stunden IT-Systemausfall kommunizieren, Krisen-Meetings, Kaffee, erklären, reden, Tee, noch mehr sprechen, zig E-Mails schreiben, einen Newsletter für die Betroffenen aufsetzen, abstimmen und versenden sowie zu geringem Wasserkonsum trat ich aus der Tür des Bürogebäudes ins Abendlicht. An frischer Luft suchte ich einen klaren Gedanken innerhalb des Lebens außerhalb der Datenbanken, Bitraten, Übertragungsgeschwindigkeiten, Beschwerden und User Experience. Der erste Gedanke war: Hunger. Der folgerichtige zweite war Abendessen.

Maximal verwirrt stand ich schließlich in diesem Supermarkt. Was war los - die Regale leer, einige gar nicht mehr vorhanden, rot-weiß gestreifte Absperrbänder? Möglicherweise war ich die einzige Person im Stadtteil, die nicht mitbekommen hatte, dass dieser Supermarkt für einen Umbau und die spätere Wiedereröffnung leergeräumt wurde.

Es gab noch eine Packung frische Käse Tortellini im Kühlregal, einige Scheiben geräucherten Schinken, einen Tetrapack Sojacreme zum Kochen, eine Tiefkühlpackung Erbsen und Karottenscheiben. "Kann ich mit arbeiten", sagte ich dem Marktleiter, der sich für die eingeschränkte Auswahl entschuldigte. Der Kassiererin wünschte ich noch gutes Gelingen des Umbaus und später einen guten Neustart.

Daheim brauchte ich dann für zwei großzügige, komfortspendende Portionen:

Olivenöl für den Schinken und zum Andünsten

4 bis 5 Scheiben Schinken
2 EL Zucker
etwas schwarzen Pfeffer

1 Zwiebel - gehackt
1 Prise Salz
ca. 200 g Tiefkühl Erbsen und Möhren (angetaute und angebrochene Packung hält sich im Kühlschrank zwei Tage)

250 ml Gemüsebrühe (Instant ist fein)
250 ml Sahne oder eine pflanzliche Alternative
etwas Salz und Pfeffer

400 g Käse Tortellini (alternativ: Teigwaren mit anderer Füllung)

Zum Servieren: etwas Pfeffer

So geht's:

Ofen heizen auf 190 Grad / 170 Umluft

Eine Form mit etwas Öl ausstreichen und einen gestrichenen Esslöffel Zucker hineinstreuen. Etwas Pfeffer über den Zucker mahlen. Schinkenscheiben hineinlegen und deren Oberseite ebenfalls mit etwas Öl bepinseln. Den zweiten Esslöffel Zucker und etwas Pfeffer darübergeben. Im Ofen 15 Minuten knusprig werden lassen.

In der Zwischenzeit das Öl in einer Pfanne erhitzen. Die Zwiebelstücke darin weich dünsten und das Tiefkühlgemüse unterrühren. Brühe angießen und aufkochen lassen. Sahne oder Pflanzencreme hinzugeben und erneut aufkochen lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Tortellini in die Soße geben und in der auf der Packung angegebenen Zeit darin garziehen lassen.

Vorm Servieren den Schinken darüber bröckeln.

Nach diesem Tag war es das perfekte Essen. Die käsegefüllten Teigtaschen salbten die vom stundenlangen Sprechen spröde gewordene Stimme. Die sahnig-warme Brühe schien die vertrockneten Hirnzellen mit frischer Transmittersubstanz zu reaktivieren, und die knusprigen Schinkenstückchen waren purer Luxus – karamellisiert und rauchig.

Drei Wochen später eröffnete der umgebaute Supermarkt mit Blumen und Ballons am Eingang, jeder Menge Sonderangeboten und einem zufriedenen Marktleiter. "Auf Sie habe ich gewartet", rief er mir zu und überreichte mir einen kleinen Pappkorb mit einer Gladiole, einem Piccolo, einem Tetrapack haltbarer Sahne, einer Packung Tortellini und einigen Scheiben Schinken.

Es war in etwa die Melange, die ich am letzten Abend vor der Schließung mitgenommen hatte – plus Sekt und Blume. "Sie waren an dem Abend so freundlich, haben genommen, was noch da war, und sich sogar bedankt. Das ist unser kleiner Dank dafür."

PS: Über die Gladiole in einer Vase auf der Küchenfensterbank konnte ich mich tagelang freuen.