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Lese ich irgendwo: "Boeuf Stroganoff Originalrezept", glaube ich es nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ursprüngliche Zubereitungsweise noch irgendwo bekannt ist. Und wenn doch, würden wir gar nicht wissen, dass dies "das Original" ist. Wer es sich wann ausgedacht hat, ist nicht bekannt. Es gibt eine vermutlich erste schriftliche Nennung 1871 in einem russischen Kochbuch von Jelena Molochowetz.

Ein französischer Koch, der in Russland arbeitete, stellte seine Version um 1890 bei einem Kochwettbewerb in Paris vor - hat das Geschnetzelte daher den edel klingenden französischen Vornamen Boeuff und den Nachnamen einer adeligen Kaufmannsfamlie aus Russland?

Mit edlem Rinderfilet war es jahrzehnte lang ein Gericht gehobener Restaurants. Mag sein, dass es heutzutage keine Haute Cuisine mehr ist. Aber mit ungezählten Varianten bleibt es eine kulinarische Erfolgsgeschichte. Mit oder ohne Senf, mit Roter Beete oder nicht? Gehören Champignons dazu? Gab es in der ersten Erwähnung eingelegte Gurken in der Soße? Sauerrahm oder Schmand oder Sahne? Letztendlich geht es immer darum: Fleischstreifen anbraten, Soße kreieren.

Mein bevorzugtes Rezept erschien 1963 in der New York Times. Der Autor, Craig Claiborne (1920 - 2000), hatte nach seiner Zeit bei der US-amerikanischen Marine und Kriegseinsätzen im Zweiten Weltkrieg sowie im Koreakrieg das als Soldat verdiente Geld in eine Hotelfachausbildung in der Schweiz investiert - aus Leidenschaft fürs Kochen und Liebe zur Gourmet-Küche. Ich stelle mir Claiborne in den sechziger und siebziger Jahren als dekadentes Kind seiner Zeit vor. Aber ab 1957 brachte er mit seiner Arbeit für die New York Times als Restaurant Kritiker, Journalist und Buchautor seinen Landsleuten gutes Kochen und Essen bei. Insbesondere seine Offenheit für ethnische Kücheneinflüsse, für asiatische und mexikanische Imbissecken in einer Zeit, als in Amerikas Restaurants überwiegend schlecht vermeintlich französisch gekocht wurde, verdient Respekt. Sein Einfluss ist in Amerika wie der von Julia Child und James Beard bis heute prägend.

Kochen wie in den Sechzigern

Rezepte aus den Neunzehnhundertsechzigern lassen mich entweder schaudern und ich fürchte, für bestimmte Zubereitungsarten heutzutage im Gefängnis zu landen - oder ich nehme sie sehr ernst, weil sie Spaß machen. Wenn von "gebutterten Nudeln" die Rede ist, werden die Beilagennudeln nach dem Kochen mit reichlich Butter verrührt. Mehr Butter, als heute im Kühlschrank eines Vierpersonenhaushalts zu finden ist. Wenn ich das nicht will, koche ich was anderes und mediterran.

Zum New York Times Rezept für Rindergeschnetzeltes gibts also kurze Bandnudeln - gebuttert! - bestreut mit viel Petersilie. Ich hab die Zutatenmenge dieses Originals halbiert und Cayenne-Pfeffer, Olivenöl sowie Gewürzgurken hinzugefügt. Ansonsten ist es das, was vor rund 55 Jahren von den Lesern nachgekocht wurde - und übrigens immer noch wird. Das Rezept wurde kürzlich online wieder veröffentlicht (New York Times Cooking) und wird seit Jahren kontinuierlich bewertet und kommentiert: ein Klassiker!