Von schlechten Erfahrungen und dass sich Neugier trotzdem lohnt
Unvoreingenommen sein und offen für alles? Sollte jeder sein, der sich dem Kochen und Essen widmet. Ich kann nichts dafür, dass ich keinen Koriander essen kann. Genetische Grundlagen sind der Grund.
Aber ich bin überzeugt, dass schlechte Erfahrungen sich dermaßen ins kulinarische Gedächtnis gravieren, dass es manachmal lebenslang nicht mehr möglich ist, sich zu überwinden und diese Inschrift aktiv zu ändern. Da spielen Gene keine Rolle! Eine einzige schlechte Erfahrung, irgendwann mit irgendeinem Gericht oder auch nur einer einzelnen Zutat gemacht, prägen für den Rest unseres Lebens unsere Essgewohnheiten. Bei mir sind es vier dieser Dramen. Und sie sind alle samt sehr, sehr lange her.
Siebziger Jahre süß-sauer
Schlechte Erfarhungen, die erste: der Besuch eines der damals in der westdeutschen Provinz trendigen Chinesischen Restaurants in den siebzigern - die Erwachsenen interessierte es nicht, dass ich als Butterbrotkind dort überfordert war. Sie meinten, wenn alle irgendwas "süß-sauer" bestellten (weil es damals neu war und "in"), sollte ich das auch essen. Ich erinnere mich an eine unangenehm schleimige Masse mit Paprika und Ananas. Und, dass ich versucht habe es zu essen, aber nicht herunter schlucken konnte. Ich kaute den Rest des Abends auf pappigem Reis rum und litt still.
Ich liebe rote und gelbe Paprika - sie schmecken gegart, passen in jedes Ragout und beleben als Rohkost schon mit ihren Farben jeden Salat, abgesehen vom Geschmack. Ananas ist so luxuriös und lecker. Aber unter keinen Umständen kombiniere ich beides in irgendeinem gekochten Gericht. Ich kann das nicht essen. Weil es damals in dieser schauderhaft unappetittlichen Soße schwamm.
Nierchen nein danke
Die zweite: Innereien - in meiner Heimatregion gerne zubereitet, in meiner Familie niemals. Nieren? Leber? Gabs nicht. Nach der Schule war ich eingeladen zum Mittagessen bei einer Schulfreundin. Es gab Nierchen, mit toller Soße und Nudeln - dunkelbraune Bratensoße und Nudeln - himmlisch! Ich hatte keine Ahnung, was denn die Stückchen in der Soße waren, biss beherzt zu - und konne es nicht herunterschlucken. Unüberwindbarer Würgereiz ob der Konsistenz dessen, das ich nicht identifizieren konnte. Es hinderte mich aber tatsächlich nicht daran, die Nudeln mit der guten Soße aufzuessen.
Ich lebe heute im Rheinland, wo gute Brauhäuser und traditionelle Gasthäuser alle erdenklichen Innereien anbieten. Diese Gerichte reizen mich überhaupt nicht. Aber ein-, zweimal im Jahr esse ich Kalbsleber in der rheinischen Variante mit Apfel- und Zwiebelringen, am liebsten mit Kartoffepüree.
Krabben Cognac
Das dritte Drama: Krabben-Cocktail. Eine neu eröffnete Pizzeria, die allen Gästen in der Eröffnungswoche einen kleines Glas Krabben-Cocktail als Vorspeise servierte. Wir freuten uns über das kostenlose Extra und gabelten unsere Gläschen leer bis auf den Grund. Auf diesem vermutete ich kurz danach die Ursache für die Symptome der anschließenden Lebensmittelvergiftung. Wahrscheinlich eine mit Cognac vermischte Mayonnaise. Der hochprozentige Alkohol war sicher nicht Auslöser der Erkrankung, eher ein anderer Bestandteil, Eier oder Öl.
Ich esse trotzdem heute noch Shrimps und Scampi. Ich verwende oft gekaufte Mayo finde aber, selbsgemachte hat was. Ich vertraue auf die absolute Frische meiner Bioeier und dem guten Öl, das ich verwende. Aber selbsgemachte Mayonnaise mit Cognac? Mir wird flau - wer kommt überhaupt auf sowas...?
Ich kenne Rezepte für Cocktail Dressings, die am Ende mit Weinbrand abgeschmeckt werden. Nichts für mich.
Infusion nach grober Bratwurst
Der Endstress: Grobe Wurst und Bratwurst. Das ist wirklich dumm, denn: in einer groben Bratwurst sind die selben Bestandteile wie in einer feinen Variante (womöglich Innereien - Hah!). Ich sehe sie nur nicht so deutlich, richtig? Ob fantastisch gewürzte, italienische Salchicha, spanische Chorizo oder deutsche, grobe Bratwurst, gebraten oder gegrillt: kann ich nicht essen. Der Grund ist der Konsum einer einzigen dieser groben Bratwürste, gebraten, vor sehr vielen Jahren - gefolgt von zweitägigem Aufenthalt auf der Toilette mit beschleunigter Ausscheidung, einem seltenen Hausbesuch meines damaligen Arztes, einer stundenlangen Infusion aufgrund massiver Dehydrierung... Ich esse nie wieder grobe Bratwurst.
Gute Erfahrungen überwiegen
Zum Glück sind dies meine einzigen bleibenden Erinnerungen an schlimme Erfahrungen beim Essen - bzw. nach dem Essen. Ich genieße gerne und weitaus prägender und noch nachhaltiger sind natürlich die guten Erfahrungen. Also lasst es Euch immer und überall unvoreingenommen schmecken und mögen Euch gravierende schlechte Erfahrunen erspart bleiben.
Ich jedenfalls bleibe kulinarisch neugierig und werde nicht satt, meine Entdeckungen oder Ideen mit Euch am Tisch zu teilen - sie mitzuteilen. Es lohnt sich so sehr.
Übrigens: Feine Bratwurst vom Grill oder aus der Pfanne? Aber sicher - hier ist eine sehr leckere Idee dafür, deren Genuss garantiert nicht gesundheitsgefährdend ist. Versprochen!