person slicing green vegetable on chopping board
Foto: Caroline Attwood

Über Konservendosen, wiederentdeckte Kartoffeln, die Zutat Butterbrot, spätes Frühstück und Spitzengastronomen bei der Arbeit

Zwar kann ich durchaus eigene Rezepte und Kochideen kreieren, bin aber keine gelernte Köchin. Daher bediene ich mich schamlos und gern bei denen, die es besser können. Wenn ich Blogs von Profi- oder anderen Hobbyköchen lese oder in Kochbüchern stöber, fällt mir immer auf: Die meisten erfolgreichen Köchinnen, Köche, Kochbuchautorinnen oder Gastronomen blicken zurück auf eine Kindheit mit besonderen Speisen und Essenstraditionen: Große Familienfeste mit Unmengen vorbereiteter und mitgebrachter Speisen. Das tägliche, gemeinsame Mahl am gedeckten Tisch - wenigtens einmal am Tag. Gemeinsame Sommerurlaube und charakteristische Gerichte bestimmter Regionen.

In meinem Elternhaus wurden keine Traditionen weiter gegeben, nicht gemeinsam gekocht und gegessen und die Wertigkeit von Nahrungs- und Lebensmitteln nicht vermittelt - was sicher auch an der Zeit lag. Die 60ger waren kulinarisch bestimmt von der Wirtschaftswundervöllerei der Nachkriegsjahre und die 70ger geprägt von der damals neuen "Convenience": Tiefkühlkost, Konserven und Mirácoli (nein, der Accent auf dem "a" macht es nicht besser). Meine eigene Idee vom Kochen und die Gewissheit, dass es immer mit Liebe, Freunden und Gastlichkeit zu tun hat, entwickelte ich erst viel später.

Während meiner Schulzeit gab es kein Frühstück, wenn ich es mir nicht selbst machte. Wenn ich damals spät mittags aus der Schule heim kam und niemand außer mir dort war, machte ich mir erst dann ein "typisches" Frühstück als Mittagessen: Ich machte das Radio an, kochte mir meistens zwei Eier, schön weich (7 Minuten!), und schmierte eine Graubrotscheibe dick mit Butter. Nach wie vor liebe ich diesen Geschmack, die Verbindung von weich fließendem, warmen Eigelb auf kaltem Butterbrot mit Salz. Es bleibt mein "Feierabendgericht" - ist "die Schule" aus, gibts Eier und Butterbrot. Genauso ist es mit dem Geschmack von frischem Graubrot mit Butter, Gurkenscheiben und Salz: diese Stulle gehört zu den wenigen nachhaltigen Erinnerungen an Genuss in Kindertagen.

Bis heute geh ich ohne Frühstück aus dem Haus. Es sei denn, ich kann lange schlafen. Dann zelebrier ich gerne (auch für mich allein) einen üppig gedeckten Tisch "mit allem". Vor allem mit viel Zeit. Mit einer Zeitung, einem Magazin oder dem neuesten, vor Wochen angefangenen Buch, das endlich weiter gelesen werden will. Und immer mit Musik - in meine Küche gehört Musik, sonst ist es nicht mein Zuhause.
Eine andere Form des Mittagessens für mich als Schülerin: am Vorabend schälte meine Mutter einen kleinen Topf Kartoffeln, die über Nacht auf dem Herd im Wasser standen. Am nächsten Tag war ich angehalten, sie zu salzen und zu kochen und - mir dazu den Inhalt irgendeiner Konservendose warm zu machen.

Jedes Jahr ein Fest: Der Geschmack neuer Kartoffeln
Champignons gehören auf Brot

Nachdem ich früh von zu Hause ausgezogen war, habe ich vier Jahre keine Kartoffel mehr angerührt. Ich hatte Kartoffeln so satt... Dann bat eine Bekannte mich, bei ihren Verwandten im Bergischen Land die Ernte zu unterstützen. Alle verdreckten und erschöpften Helfer kamen nach einem langen Erntetag als erste "Kunden" noch auf dem Feld in den Genuss der neuen Kartoffeln: gründlich unter fließendem Wasser geschrubbt, so dass kaum noch Schale dran war, gekocht und dazu auf die dampfenden Schätze ein Klacks Butter und Salz oder Quark mit frischem Schnittlauch. Damals dämmerte mir: ich möchte mehr wissen über Lebensmittel und Ernährung. Über Früchte und Gemüse. Ich hatte einen schmerzenden Rücken, von der gebückten Erntehaltung tagelang Muskelkater in den Oberschenkeln und zerschundene, verdreckte Hände - und Respekt vor der Wahre. Zumindest mal versuchen, zu kochen? Ich begann mit ganz, ganz kleinen Schritten.

Das erste selbst gekochte, "richtige" Essen - war dann ein gebratenes. Ich hatte inzwischen gelernt: Champignons gibt es nicht nur aus Dosen! Meine ersten frischen Pilze also: geviertelt, in Butter bei milder Hitze gebräunt, dann in der gleichen Pfanne (Pilze vorher rausgenommen und dafür war ich sehr zufrieden mit mir) eine krumm und schief, aber klein geschnittene Zwiebel braun werden lassen, dann die Pilze wieder dazu - an Salz und Pfeffer hab ich damals nicht gedacht. Frische, krause Petersilie (glatte kannte ich nicht) hab ich damals nicht gehackt (womit denn?), sondern großzügig über mein Werk gezupft. Und der warme Pfanneninhalt landete (mal wieder) auf einer dick mit Butter bestrichenen Graubrotschnitte. Beim ersten Bissen war ich ein bisschen enttäuscht. Etwas fehlte - Salz! Aber dann war es gut und ich wirklich mächtig stolz. Ich kam mir mit diesem einfachen Abendessen vor, als hätte ich das Feuer UND das Rad erfunden. Meine erste, positive Kocherfahrung mit Anfang 20, in einem möbilierten Mietzimmer mit einer Kochplatte, meiner ersten eigenen Pfanne und dem kleinen Radiowecker, der meine möbilierten Tage mit Musik füllte. Ich hatte keinen Plan, aber ansatzweise eine Ahnung.

Ohne mir dessen bewusst zu sein, hatte ich eine Tradition nach gekocht, denn warme Pilzpfannen auf Butterbrot sind in meiner Geburtsregion, dem Bergischen Land, nach wie vor ein beliebtes Abendessen. Ich hatte also doch Einflüsse aus meinem Umfeld ab bekommen, ohne dass dies in meiner Familie je von Bedeutung gewesen wäre.

Jeder kann kochen

Niemand hat mir kochen beigebracht, mir gezeigt, wie frische Rote Beete zubereitet oder eine Bechamel-Soße gekocht wird. Beim ersten Versuch konnte ich gar nicht glauben, wie einfach frische grüne Bohnen zuzubereiten sind - ich kannte ja nur die aus der Dose! Es gab in meiner Kindheit keine gemeinsamen Backnachmittage in der Oster- oder Weihnachtszeit. Ich backe heute trotzdem wirklich gern und freue mich über den jedesmal reißenden Absatz meiner Muffins.

Es gibt tatsächlich nur ein einziges Gericht, dessen Zutaten ich noch weiß, obwohl es nie so etwas gab wie gemeinsames Zubereiten in der Küche: den Kartoffelsalat, wie meine Mutter ihn machte. Keine Ahnung, wie diese Kartoffelsalatvariante in meine Familie gelangte. Meine Mutter kam vom hessischen Land. Die Familie meines Vaters stammt aus dem erzgebirgischen Eibenstock. Traditionelle Gerichte dort sind, wie die Region, nah an Tschechien. Der Kartoffelsalat meiner Mutter war mit Mayonnaise eher die norddeutsche Variante - nur hatten wir keinen Bezug dorthin. Gab es vielleicht einen tschechischen Einfluss durch meinen Vater? Die Variante erinnert auch an ein böhmisches Rezept - irgendwie.

Sobald ich den Kartoffelsalat mal wieder mache, stell ich ihn hier vor. Wer weiß, vielleicht erinnert sich jemand daran, dass er den genauso auch noch von früher kennt. Es muss in 60ger oder 70ger Jahren gewesen sein...

Zwischen Tür und Angel viel gelernt von Profis

Beruflich begann ich als freie Journalistin und endete als Kommunikations- und PR-Beraterin. In den 1990gern und den Nullerjahren habe ich mit Leidenschaft und Begeisterung sehr große und allerkleinste Veranstaltungen koordiniert und geleitet. (Event Management ist eine der Aufgaben innerhalb des großen PR-Spektrums und der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen und Institutionen.)

Der Job kam für mich mit einem Amuse Gueule: ich konnte in den besten Hotels und Restaurants den Köchinnen und Köchen Löcher in den vom Probieren gefüllten Bauch fragen. Ich konnte, oft über viele Tage, Spitzengastronomen und ihren Brigaden bei der Arbeit zuschauen. Mir von Profis zeigen zu lassen, wie sie Zwiebeln oder Paprika schneiden, warum dieses nur mit Brühe, jenes aber mit Wasser abgelöscht wird. Warum die Gewürze angeröstet werden bevor alle anderen Zutaten an der Reihe sind. Warum Butterwürfel im Gefrierfach liegen. Zusehen, wie welches Gemüse geputzt, geschnitten, verarbeitet wird oder dem Rôtisseur bei der Fleischzubereitung über die Schulter gucken - unbezahlbar!

Ich danke allen, die generös und geduldig und offen waren für eine neugierige Veranstaltungsleiterin, die unfassbar gerne isst, alles probieren wollte und manchmal im Weg stand. Ich hab gelernt: Küchenarbeit ist Team-Arbeit. Und die besten Chefs respektieren die Spüler und den Sous Chef gleichermaßen. Und es stimmt: "Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren." Zumindest nicht in einer Profiküche und nicht in Gegenwart einer hitzigen Brigade.

In meiner Küche und an meinem Tisch gilt: Willkommen, haut rein! Ich hoffe, es schmeckt Euch. Welche Musik möchtet Ihr dazu hören?

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