Ein gutes Abendessen strukturiert den Tag und spendet Trost
Wie war das vor dem unsichtbaren Risiko, den Sorgen, den unvermeidbaren Einschränkungen? Im Büroalltag herrschte Woche für Woche reges Treiben, Kommen, Gehen, Besprechungen, Lachen, Klatsch und Tratsch, anspruchsvolle Kunden, Diskussionen über an sich indiskutable Forderungen, manchmal Zank, Austausch, Inspiration, Trost und Freundschaft. Die tägliche Gemeinschaft, soziales Gefüge und Alltagsgerüst.
Am späten Nachmittag, wenn es ruhiger wurde und die Büros sich allmählich leerten, begann ich mir Gedanken zum Dinner zu machen. Oder auch zur Menüplanung für mehrere Tage und wie aus den Resten für jeden nächsten Tag ein liebevoll zusammengestellter Büro-Lunch werden könnte. Der Heimweg mit seinen Besorgungen war das entspannte Gleiten von der Arbeit hinüber zur angenehmeren Tätigkeit des feierabendlichen Kochens.
Und nun? Ich habe Glück, den Arbeitsplatz nicht zu verlieren wie viele andere, aber bin ich allein im Büro auch zufrieden? Keine sinnlosen Besprechnungen im Stehen auf dem dunklen Flur, kein Klatsch in kleinen Grüppchen, denn Kolleg*innen arbeiten seit Monaten von zu Hause. Für mich fühlt sich jeder Tag an wie eine der seltenen Feiertagsschichten, über die am nächsten Tag dem sozialen Büroumfeld berichtet werden konnte. Nur dass "der nächste Tag" und jeder folgende genauso sein werden. Wir telefonieren, wir skypen. Mit meiner Kollegin maile ich hin und her, was wir sonst über die gegenüber stehenden Schreibtische kurz besprechen.
Viele der Kolleg*innen daheim betreuen Kinder und Familien, teilen sich die Arbeitszeiten vorm Notebook irgendwie ein und arbeiten am Wochenende, wenn die Tage einer Woche nicht reichen. Die klare Abgrenzung zwischen Büro und frei, bei der Arbeit und nicht bei der Arbeit, verschwimmt, ist bald gelöscht wie der tägliche E-Mail-Verlauf zwischen meiner Kollegin und mir. Zur Erschöpfung trägt der nicht endende Fluss von Nachrichten und Meinungen bei sowie Uneinsichtige ohne Mund-Nase-Schutz beim Einkaufen und die regelmäßig erforderliche Bitte, Abstand zu halten.
Trotz der Unbelehrbaren besorge ich auf dem Heimweg vom Büro Zutaten. Trotz der wachsenden Pandemüdigkeit koche ich. Kochen ist Fürsorge, die wir schmecken können. Die Gedanken drehen sich nicht wie früher kurz vorm Feierabend um passende Rezepte. Dies beginnt nun im menschenleeren Büro oft schon nach dem ersten Kaffee am Morgen, wofür ich mich keineswegs entschuldige. Die Planung und Kochen ernährt uns nicht nur. Es hilft uns und allen, die wir versorgen, sich besser zu fühlen.
Nach einem deprimierenden Tag allein im Büro finde ich Dekadenz total angemessen und koche meine Spaghetti ohne Reue in Rotwein. Damit ist die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit wieder installiert, denn diese Nudeln können uns nach Italien in den Urlaub versetzen. Lasst es Euch schmecken.
Kochen hilft!