Nicht absehbar, wann hier wieder Gäste Platz nehmen können - Foto: Zakaria Zayane

Wir müssen keine Sterneküche zaubern, um unsere Lieben zu versorgen

Wann wurden Tische reingeholt, die Stühle darauf gestellt, der Boden gewischt und Alltag geschlossen? Seit wann üben wir uns in diszipliniertem Abstandhalten und Schlangestehen? Fast jeden Tag bin ich allein im Büro, weil alle anderen von zu Hause arbeiten. Seit wann "skype" ich mehr, als dass ich telefoniere - wie viele Wochen, Monate sind es schon? Nein, kein Zoom-Meeting mehr, bis ich beim Friseur war! Wie lang ist "normal" her...

Wir feiern Geburtstage, Hochzeiten und Siege mit Ritualen. Wir grölen gemeinsam Hymnen, ob im Konzert oder im Stadion. Wir applaudieren. Wir quietschen gemeinsam vor Vergnügen beim Erleben einer sinnfreien Vergnügungsparkattraktion. Rituale sind wie Klebstoff, der Trost und Freude spendet, der Gemeinschaft und Zugehörigkeitsgefühl schafft.

Eines meiner Wohlfühlrituale: mit Freund*innen und Kolleg*innen essen. Ob im Restaurant, Bistro oder bei mir mit Leckereien vom Backblech.

Ich würde gerne mit einem lieben Freund ins Kino gehen - vor unseren gemeinsamen Kinobesuchen schlagen wir uns den Wanst voll in irgendeinder Pizzeria oder dem großartigen Laden mit südamerikanischen Speisen. Wir gönnen uns Gin Tonic, Prosecco und Wein und erzählen, lachen, vorfreuen uns. Wir lieben Kino und mögen diese Restaurants sehr - aber so bald wird der Besuch weder hier noch dort möglich sein. Alles fehlt uns. Mein Kumpel fehlt mir.

Wir verlieren Zeitgefühl, wissen die Arbeitswoche kaum noch vom einstmals erholsamen Wochenende zu unterscheiden. Gewohnte Strukturen und Rituale bröseln dahin, wenn das Kind nicht mehr zur Unzeit aus dem pupertären Tiefschlaf gerüttelt wird, um rechtzeitig - Frühstück, Zähne putzen, waschen, anziehen, Schultasche gepackt? - Du hast WAS vergessen?? - Nein, die andere Jacke, ES REGNET! - irgendwie den Schultag zu starten. Und nun? Keine Fixpunkte des Alltags mehr, alles fließt. Meist durcheinander.

Es hilft dem Selbstwertgefühl der Kids, selbst etwas zu meistern - so etwas bekommen auch Teenager hin.

Ich möchte für ein Wochenende mit dem Zug ans Meer reisen. Samstag Mittag ankommen, mit Blick auf die Wellen ein Krabbenbrötchen mampfen, am Strand spazieren, nordseegefüllte Luft atmen. Am Nachmittag Tee trinken und mir abends in einer freundlichen Herberge frischen Fisch vom Grill servieren lassen - das wär fein. Am Sonntag dann gäbe es zum Frühstück fette Croissants aus einem pseudofranzösischen Franchise-Laden. Sind die lecker und der Kaffee dazu ist gut. Vor der Abreise könnte ich mich noch aus dem Angebot einer Fischbude für eine Kleinigkeit zum Mittag entscheiden.

Nach der Zugfahrt heim mit einem Buch, das endlich zu Ende gelesen wird, wäre ich dankbar für den kurzen Ausflug und es könnte einen Strammen Max zum Abendessen geben. Aber diese Reise ist jetzt nicht möglich. Das Schinkenbrot mit Spiegelei in meiner Küche schon. Und das Wochenende gibts auch ohne den Kurzausflug  immer noch, mit Sonntagabendpasta.

Restaurant, Kino, Theater, Konzerte, Reisen an die Küste  - nichts davon wird passieren, nicht in absehbarer Zeit. Wir können trotz allem in die Küche gehen und irgendwas zum Essen zubereiten. Zeit für Projekte wie Königsberger Klopse.

Es geht aber auch unkompliziert und ohne große Kochkunst. Niemand muss Meisterschneidetechnik mit dem japanischen Sushi-Messer aus Damaszenerstahl beherrschen, um Gemüse klein zu kriegen. Wir brauchen nicht mal das Meistergedönsmesser. Wir brauchen nur ein scharfes Messer, irgend eines. Wenn das Gemüse geschnitten ist, ist es gut. Egal, ob gleichgroße Würfel, feinste Julienne-Streifen oder Brocken. Hauptsache: so zerkleinert, wie wir es brauchen.

Wer ein paar Nudeln in gesalzenem Wasser kocht, dazu in einer Pfanne etwas Gemüse mit oder ohne Speck brutzelt, hat schon gewonnen. Es reicht, ein paar einfache Dinge aufzutischen, um unsere Pandemie- und Quarantänegefährten zu umsorgen. Reste übrig? Fein! Morgen machen wir daraus mit Eiern Frittata - oder Rührei mit Nudeln und Gemüse. Oder wie wärs mit Spaghettipizza?

Eine einfach zu kochende, schnell gemachte cremige Suppe wärmt und gibt Kraft, wenn der Elternunterricht die Zu-Hause-Schüler und daheim arbeitenden Eltern gleichermaßen in den Pandemiewahnsinn treibt.

Wird einer meiner kleinen Lieblingsläden überleben? Ich hoffe und wünsche es den Gastwirten. Bis wir uns wiedersehen, koche ich einen meiner Favoriten ihrer Speisekarte.

Was immer uns gern an gemeinsame Ausflüge und Restaurantbesuche denken lässt, hilft durch diese Zeit. Wir werden wieder gemeinsam essen, trinken, lachen, Filme schauen! Es wird dauern, aber wir schaffen es.

Bis dahin: Bleibt gesund und esst gut.

Eat 🍔🍟
Foto: Tim Mossholder