"Are you going to Scarborough Fair?
Parsley, sage, rosemary, and thyme
Remember me to one who lives there
She once was a true love of mine."
Gehst Du nach Scarborough auf den Markt?
Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian
Grüße jemanden von mir, der dort lebt
Und mal meine Geliebte war.
Die Küstenstadt Scarborough im Osten der Grafschaft Yorkshire wurde bereits in den 1660er Jahren zu Großbritanniens erstem Badeort an der Nordsee. Neben den feinen Sandstränden zog das Mineralwasser einer Heilquelle die Besucher an. Auch heute ist der Sommertourismus der wichtigste Wirtschaftsfaktor für den Ort. Das Scarborough Sea Life Sanctuary präsentiert Yorkshires Meeres- und Küstentiere und pflegt im angeschlossenen Tierhospital verletzte und kranke Tiere, die wieder ausgewildert werden. Am Hafen gibt es noch einen kleinen Fischmarkt und an der Bucht auf der Südseite findet regelmäßig ein Antik- und Flohmarkt statt.
Die englische Volksweise Scarborough Fair entstand vermutlich in mittelalterlicher Zeit, als das Küstenstädtchen von großer Bedeutung für Kaufleute des Landes und aus ganz Europa war. Ab 1253 fand dort jedes Jahr eine sechswöchige Handelsmesse statt, ein Jahrmarkt also: Scarborough Fair.
Eine der populärsten Versionen des uralten Liedes ist die von Simon & Garfunkel, erschienen 1966 auf ihrem Album „Parsley, Sage, Rosemary And Thyme“. Und eine der schönsten Aufnahmen ihrer Version stammt von einem legendären Konzert.
Nach mehrjähriger Trennung traten die beiden Musiker am 19. September 1981 erstmals wieder gemeinsam auf. Mehr als eine halbe Million Zuschauer kamen zur Benefizveranstaltung The Concert in Central Park, um sie zu erleben.
Der Central Park, grünes Herz und natürliche Luftfilteranlage New Yorks, verfiel und vermüllte zu dieser Zeit. Es gab keine Ressourcen für Pflege und Überwachung des riesigen Areals. Für die dringend erforderliche Sanierung nach der Rezession der 1970er wurden Anfang 1980 drei Millionen US-Dollar benötigt - Geld, das die marode Stadtverwaltung nicht hatte. Die Central Park Conservancy wurde gegründet, eine Privatinitiative zum Sammeln von Spendengeldern und zur Pflege des Parks durch ehrenamtlich engagierte New Yorker. Bis heute kümmert sich die Organisation um die Instandhaltung der Anlagen und die Grünpflege. Drei Viertel des jährlich dafür benötigten Budgets stammen aus Spendengeldern. Auch The Concert in Central Park war 1981 nicht nur der Beitrag, den vor allem Paul Simon leisten wollte, sondern wurde erst durch privates Engagement ermöglicht.
Der Eintritt zum Open-Air-Konzert im Park war frei. Ein Teil des erforderlichen Geldes für die Restaurierung sollte durch den Verkauf von Merchandise-Artikeln und der Fernseh- und Videorechte zusammen kommen.
Bewegend: die Darbietung von Scarborough Fair in der einzigartigen Atmosphäre dieses spätsommerlichen Konzertabends.
Paul Simon hörte das Lied 1965 zum ersten Mal in London während eines Besuchs bei dem britischen Folksänger Martin Carthy.
Texte vieler mittelalterlicher Unterhaltungslieder enthalten Rätsel, die mit Wortspielen am Ende aufgelöst werden: Ich schenke Dir ein Schloss, für dessen Tor Du keinen Schlüssel brauchst. Warum benötigt die Angebetete keinen Schlüssel? Des Sängers Herz ist das Schloss, in das die Herzensdame einziehen soll.
Auch der ursprüngliche Text von Scarborough Fair ist ein solches Rätsellied, aber es gibt kein Happy End. Es gibt ebenso wenig die Möglichkeit, die Rätsel der einzelnen Strophen zu lösen, wie die große Liebe zurück zu gewinnen. Die Melodie entspricht einem Wiegenlied, wir wiegen uns sachte hin und her und wieder hin zu den Wiederholungen von "Parsley, sage, rosemary, and thyme" und "...a true love of mine". Diese Wiederholungen scheinen dem gesamten Text etwas von der Traurigkeit zu nehmen – könnte sie unter bestimmten Bedingungen doch wieder zu ihm zurückkommen? Nein, sicher nicht. Es wirkt, als sei der Poet verbittert angesichts der Realität, dass es eben doch nicht mehr sein kann.
Art Garfunkel passte das Arrangement an und integrierte Elemente zweier anderer Kompositionen von Paul Simon. Das Duo fügte dem Text einige Antikriegsaussagen hinzu, die der Stimmung jener Zeit entsprachen. Der Titel war neben „Mrs. Robinson“ und „The Sound of Silence“ Bestandteil des Soundtracks zum Erfolgsfilm „Die Reifeprüfung“ („The Graduate“, 1967).
Über die Auflistung der Kräuter Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian im Text gibt es wahrscheinlich ungezählte Abhandlungen. In den 1960ger und 1970ger Jahren wurden darüber in etlichen räucherstäbchenvernebelten Jugendzimmern existenzialistische Diskussionen bis zum Morgengrauen geführt.
Wurden hier womöglich Platzhalter eingefügt, weil die Künstler den Text vergessen hatten? In der traditionellen Volksmusik wurden Lieder mündlich überliefert und weitergegeben. Viele Änderungen und zahlreiche unterschiedliche Versionen im Laufe der Jahre sind also ganz natürlich. Ist das Grünzeug so im Laufe der Jahre zum bemerkenswerten Bestandteil der Verse geworden?
Kräuterkundige weisen stattdessen natürlich auf die Symbolik und die heilende Wirkung von Pflanzen hin. Petersilie galt als Allheilmittel, Salbei symbolisierte Stärke und diente der Versorgung von Wunden, Salbeitee hilft bei Schlafstörungen, Rosmarin steht für die Liebe und soll das Gedächtnis unterstützen, Thymian ist ein Symbol für Mut, wirkt schmerzlindernd und hilft bei entzündeten Augen. Alles hilfreich zur Linderung des Liebeskummers eines Betrogenen. Hinzu kommt, dass ein anderer, ein Vermittler, die Botschaften des Sängers überbringen soll. Der Hintergangene möchte der Dame nicht mehr persönlich begegnen. Dieser Text war also Absicht?
Für mich ist er einfach ein mittelalterlicher Einkaufszettel. Ihr gehet zum Markt? So bringet ein paar würzige Heilpflanzen daher und seid bedankt.
Ein Mix aus Extrakten aller vier Pflanzen soll böse Flüche und Hexenzauber vertreiben. Na, wenn das kein Grund ist, dieses Kräuterquartett in einem Rezept zu vereinen!