Von Sammlern, Online-Jägern und warum ich keinen Koriander esse, aber Toast Hawaii
Mal ehrlich: wer nutzt alle Kochbücher, die er hat? Jeden Tag? Richtig.
Wir kaufen sie, am liebsten die großformatigen, blättern begeistert hin und zurück und dann DIESE FOTOS! Wählen ein Gericht oder zwei, probieren - und behalten mindestens dieses eine, großartige Essen im Repertoire für immer. Was ist mit all den anderen Rezepten, für die der Kochbuchautor/die Autorin sich die Seele aus dem Leib getestet, gekocht und geschrieben hat...
Geben wir es zu: wir, die wir Kochbücher kaufen, sind keine Kochbuchleser und Nachkocher aller Rezepte, die unser neues Kochbuch liefert. Wir sind - Kochbuchsammler. Und nebenbei Verräter, die online auf der Jagd nach Rezepten und Ideen sind.
Das einzige Kochbuch, das ich von der ersten Seite bis zum Buchrücken durchgelesen hab, ist "Jerusalem - Das Kochbuch" von Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi (erschienen in Deutsch 2013). Weil es nicht nur ein Kochbuch ist, vielmehr das Porträt der Metropole, in der die beiden Autoren aufwuchsen. In den Gerichten finden sich, wie in der Stadt, die Einflüsse aller Küchen der Welt - Mittel-, Nord-, Südeuropa, Nordafrika und der Nahe Osten. Mich haben schon immer die Gewürze und Aromen der Küche im Nahen und Mittleren Osten fasziniert und inspiriert. Meinen Küchenhorizont zu erweitern heißt für mich immer, die Gewürzpalette aufzustocken und zunächst mal neue Aromen zu probieren.
Sobald ich zu Hause durch ein neues Kochbuch stöber, möchte ich sofort loskochen. Aber mit "Jerusalem" auf meinem Schoß und einer Tasse Kaffee auf meinem Küchentisch, wollte ich am liebsten umgehend zu einem sechswöchigen Urlaub in Jerusalem antreten, um dort die Düfte der Stadt einzuatmen und auf den Märkten und an jedem Streetfood Stand alles zu probieren.
Abgesehen von allem, in dem Koriander verarbeitet wurde. Leider gehöre ich zu dem Teil der Menschheit, bei denen es auf einen einzigen Gen diesen einen Rezeptor gibt, der dazu führt, dass wir keinen frischen Koriander essen können. Für uns schmeckt er nach Seife. Ich kann es konkretisieren: Kernseife.
Yotam Ottolenghi hatte vor einigen Jahren in seiner Kolumne im britischen Guardian seine Korianderrezepte vorgestellt.
Das Süßkartoffelpüree mit Salsa ist großartig, wenn ich den Koriander weglasse. Für die Idee bin ich trotzdem dankbar: ich wär nicht drauf gekommen, mein leuchtend orangefarbenes Püree zur Abwechslung mal mit grüner Salsa zu beträufeln. Ich hab stattdessen Petersilie und Zitronenthymian genommen. Funktioniert für mich.
Meine ersten beiden Kochbücher bekam ich als junger Teenager in den siebziger Jahren geschenkt. Als ich sie dreißig Jahre später mal wieder durchblätterte, war ich - schockiert. Rezepte für Schildkröten- und Haifischflossensuppe. Dicke Scheiben von Kassler Braten mit Dosen-Ananas und grell colorierter Cocktail-Kirsche. Salate, deren Hauptzutat grundsätzlich Mayonnaise aus dem Glas war. Hummer in immer anderen Varianten - Hauptsache, lebendig ins kochende Wasser geworfen. Zeitgeist.
Ich gab die Bücher zum Altpapier. Trotzdem: es gibt tatsächlich aus beiden Büchern je ein Rezept, welches bis heute zu meinem Rezeptinventar gehört. Eines für eine Quiche und eines für Lauchsuppe. Im Laufe vieler Jahre modifiziert, verändert, erweitert, wieder reduziert, erneut abgewandelt und immer so fort.
Auch Typisch aus der Zeit: Toast Hawaii. Ich bekenne mich als Fan und finde, es ist ein gutes Essen. Eine Kleinigkeit zwischendurch, ein schnelles Mittag- oder einfaches Abendessen: Ein oder zwei Scheiben Toast (getoastet) mit wenig Butter, magerem Schinken, Ananas, mit Käse im Ofen kurz erwärmt, bis der Käse schmilzt. Aber nicht mit Dosen-Annanas und und nicht mit Cocktail-Kirsche. Wer einen Sandwichmaker hat, wird es sicher noch öfters machen als im Ofen, als "geschlossene" Variante. Ich bin für beide zu haben.
Aber es reicht ja nicht, stolz zu sein auf diese Kochbuchstapel, die ohne Ende Inspirationen liefern. Wozu gibts all die Kochzeitschriften - DIESE FOTOS...! Also lasst uns diese Magazine immer wieder kaufen, egal, wie oft wir enttäuscht sind. Oder? Mittlerweile hab ich meinen Kochzeitschriftenkonsum deutlich eingeschränkt. Ich hab einfach zu wenig Platz, um alles aufzuheben. Kompromiss: Ein oder zwei Rezepte heb ich auf, bevor ich die Magazine entsorge. Es sind genau die Rezepte, auf die ich immer wieder zurückkomme und die mich auf eigene Ideen kommen lassen.
Und finden wir uns damit ab, dass wir das mit diesen Fotos sowieso nicht hinbekommen. Ich bin kein Food-Stylist, ich will das noch essen nach dem Fotografieren!