Alles andere als arm - Foto: Michal Pokorný

Süditalienische Nudeln alla Puveriello, nach Art der Armen - reich genug, mir auf die Beine zu helfen

Die Nachrichten kamen bald und folgten rasch aufeinander:

"Sag Bescheid, wenn Du was brauchst, ich kann es Dir vor die Tür stellen."
"Wie gehts Dir, brauchst Du was?"
"Soll ich Dir was vom Einkaufen mitbringen?"
"Schnelle Genesung! Fehlt Dir zu Hause irgendwas?"

Extremes Krankheitsgefühl kam plötzlich und überwältigend. Die Infektion brach aus mit nicht unterdrückbaren Attacken brutal trockenen Hustens, die in Erbrechen gipfelten. Da Nahrungsaufnahme nun bereits nicht mehr möglich war, sollte das Würgen nach einigen Tagen wieder aufhören. Am dritten Tag dann: COVID positiv.

Ich habe selten Kopfschmerz und wenn, ist er nicht der Rede wert. Nun bestand mein Schädel aus dumpf schmerzendem Spannungsdruck, in kurzen Abständen regelmäßig unterbrochen vom Gefühl, dass mein Hirn hinter den Augen mit einer Drahtbürste gegen den Strich gekämmt wird. Da halfen nur Schmerztabletten, möglichst viel Wasser und Tee trinken, wenn der Körper schon jedes Essen ablehnte - und Geduld.

Die meiste Zeit lag ich im Bett und versuchte, an nichts zu denken. Was natürlich nicht möglich ist. Zumal erhöhte Temperatur die Phantasie zusätzlich anregt. Nach eineinhalb Wochen beschlossen fast alle Symptome zu verblassen - Kopfschmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung, Schluckbeschwerden, Husten und Schnupfen, die generalisierten Muskel- und Knochenschmerzen. Fast alle.

Wenn ich nun, trotz physischer Schwäche, allmählich wieder ich selbst sein könnte, würde ich es auch zurückschaffen in den Rezepte- und Kochmodus? Längere Zeit am Herd stehen war erst mal nicht drin, schnell musste es also gehen. Mit den wenigen Zutaten, die nach der Quarantäne im Haus waren, bot sich ein Gericht der einfachen neapolitanischen Küche an, eine Antwort auf die Carbonara der reichen Römer, ohne deren fetten Speck.

Ich habe eine Ahnung, wie es schmeckt - salziges Nudelkochwasser, Pfeffer, Parmesan. Wann ich wieder etwas schmecken und riechen kann? Wer weiß.

Für eine Portion Pasta alla Puveriello brauchen wir:

Rigatoni, Penne oder Spaghetti - so viel, wie man nach langer Nahrungsabstinenz zu schaffen glaubt (Tipp: es ist immer zu viel.)

1 Ei
Olivenöl
zum Braten
frisch geriebenen Parmesan und frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer

So geht's:

Nudeln in sehr kräftig gesalzenem Wasser kochen.

Öl in einer Pfanne, die die Nudeln aufnehmen kann, heiß werden lassen. Dabei etwas mehr Öl verwenden, als normalerweise für nur ein Spiegelei.

Das Ei über der Pfanne aufschlagen und ins Öl gleiten lassen. Bei niedriger Temperatur garen. Das Eiweiß sollte fest sein, das Gelbe noch flüssig. Traditionell wird die Pfanne vom Herd genommen und das Spiegelei grob zerteilt. Die fertigen Nudeln landen direkt aus dem Kochwasser in der Pfanne.

Zügig mit Parmesan und Pfeffer vermengen und auf einen Teller geben.

👊
Von wegen Cucina povera - wie alle Gerichte der sogenannten Küche der Armen ist es ein reichhaltiges, gutes und (bestimmt) sehr schmackhaftes Essen aus wenigen Zutaten. Genau das richtige, um wieder auf die Beine zu kommen und selbst einer Coronainfektion endlich den Garaus zu machen!

Während der gesamten COVID-19-Pandemie blieb mir eine Infektion erspart. In meinem Umfeld erkrankten viele. Ich erfuhr von schweren Verläufen, nach denen die Betroffenen sich folgenlos erholten und von milden Infektionsverläufen, nach denen diese Erkrankten seit Jahren unter komplexen Post- und Long-COVID-Symtpomen leiden und obendrein um deren medizinische und gesellschaftliche Anerkennung kämpfen müssen. Ich machte Besorgungen und stellte sie Nachbarn vor die Tür. In meiner Isolation beschäftigte ich mich damit, wie ich mit einfachen Rezepten im strubbeligen Pandemiealltag etwas Freude bereiten könnte.

Und blieb verschont. Bis heute, dreieinhalb Jahre später. Es haute mich um wie einen gefällten Baum. Während ich da lag, erinnerte ich mich wieder an die Uneinsichtigkeit und selbstherrliche Realitätsverweigerung der Verschwörungsspinner. Bis heute kann ich nicht fassen, dass schwerst lungenkranke COVID-Patient*innen auf Intensivstationen mit der Überzeugung gestorben sind, nicht mit dem Coronavirus infiziert zu sein. Weil alles finstere Machenschaften auf Basis irgendeines geheimen Plans sein mussten?

Ob mir in meiner Quarantäne zu Hause etwas fehlte, fragten Freund*innen. Und ich frage mich, wie viele der trotzig Erstickten möglicherweise solche Menschen in ihrem Leben nie hatten.

Foto: Priscilla Du Preez 🇨🇦